Montag, 1. Juli 2013

Teeth (2007)

Hexen, Huren, Heilige, Fruchtbarkeits- und Todesgöttinnen. 

Neben ihrem, seit Jahrtausenden hohen, Stellenwert in der menschlichen Kulturgeschichte, was das Bild von Frauen und die jeweils gängige Auffassung von Weiblichkeit angeht, haben diese Motive eines gemeinsam: Sie sind alle eng mit Körperlichkeit verknüpft.

Der weibliche Körper scheint, über alle Kulturen und Zeiten hinweg, beständig eine Mischung aus Faszination, Abscheu, Begehren, Furcht und Verehrung hervorzurufen, die auch immer wieder gerne von (androzentrischen) Wissenschafts-, Religions- und Geistesströmungen aufgegriffen und in, mehr oder weniger verdeckt misogyne, Erkenntnis-, Glaubens- und Heilsbotschaften gekleidet wurde.

Ein prominentes Beispiel für die Fleischwerdung von, mit der weiblichen Körperlichkeit verbundenen, Vorstellungen und Ängsten, liefert das Standardwerk des Christentums, die Bibel, in mannigfaltigen Ausführungen. Oder glaubt hier jemand ernsthaft, dass bei der "verbotenen Frucht", zu deren Degustation Eva Adam bekanntlicherweise verführt, tatsächlich von einem Stück Obst die Rede sein soll?!

Hier wird auch die Sprengkraft ersichtlich, die von den eng mit Körperlichkeit verknüpften - bis heute teilweise auf diese reduzierten - Frauen ausgeht, nämlich die Sexualität. 

Gerade in einer Weltordnung, in der Begehren und Lust mit Sünde gleichgesetzt und stark tabuisiert wurden, entledigten sich die männlichen Delinquenten ihrer sexueller Sündenlast nur zu gerne, indem sie sie den Frauen aufluden und deren Körper zum Sinnbild für Verführung, Wolllust und Verdorbenheit machten. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die, bis heute noch stark von diesen religiösen Lehren und Ansichten geprägte, westliche Kulturgeschichte. Gerade die Heilige-Hure-Dichotomie, am prominentesten durch Maria (Magdalena) dargestellt, ist ein beliebtes Motiv im Katholizismus, um weibliche Körperlichkeit und (A)Sexualität zu stilisieren.

Jetzt stellt sich vermutlich bei dir, liebe/r Leser_in, berechtigterweise die Frage: Was soll das alles und was hat das mit Horrorfilmen zu tun?

Ich muss zugeben, ich habe etwas weit ausgeholt für den folgenden Schlag unter die (männliche) Gürtellinie. Da dieser beim zu besprechenden Film Teeth jedoch sehr hart ausfällt, erschien es mir sinnvoll, den kulturgeschichtlichen Hintergrund zuvor kurz zu beleuchten - vielleicht, um die von den männlichen Protagonisten im Film zu erduldenden Qualen ein ganz klein wenig zu mildern und in Relation zu stellen zu tausenden von Jahren an männlicher Macht über den weiblichen Körper.

Also, liebe Männer, anschnallen und festhalten. Es wird auch nicht sehr weh tun, versprochen!

Zum Inhalt:
Teeth beginnt relativ harmlos, wenn auch - zumindest für europäische Augen - etwas befremdlich, mit der Zusammenkunft einer Gruppe von christlichen Jugendlichen, die sich vorgenommen haben, unter allen Umständen mit dem Sex bis zur Ehe zu warten, sprich: am Anfang steht eine Keuschheitsbewegung. 

Dawn, Teenagerin und Protagonistin des Films, ist engagierte Sprecherin dieser Gruppierung und hängt felsenfest an ihrer Überzeugung, sich erst von dem Richtigen in ihrer Hochzeitsnacht deflorieren (blöder Ausdruck, klingt aber immer noch besser als "entjungfern") zu lassen. Ein möglicher Kandidat bietet sich schnell an, nach anfänglich keuschem Händchenhalten und scheuen Küssen, will dieser aber sehr schnell sehr viel mehr und schreckt auch nicht davor zurück, gewaltsam einzufordern, was ihm nicht zusteht. Hier wird die ganze Sache blutig, denn Dawns Vagina setzt einen bislang ungeahnten Abwehrmechanismus ein, der zunächst bei ihr selbst, und in weiterer Folge vor allem bei ihren, hormonell regelrecht überkochenden, männlichen Artgenossen Angst und Schrecken erzeugt.

Dawn muss im Grunde jetzt da durch, wo alle Menschen auf dem Weg zum Erwachsenwerden durchmüssen: Durch die Hölle der Pubertät. Das reicht von der Entdeckung und Erkundung der eigenen Körperlichkeit und Geschlechtlichkeit bis zur Erforschung fremder Körper und Lüste und schließt sowohl die anfängliche Abneigung gegen die, nicht selten als monströs empfundenen, körperlichen Veränderungen ein, als auch die, idealerweise am Ende stehende, Erkenntnis, dass es eh okay ist, wie man/frau eben ist. Bei der Hauptdarstellerin in Teeth kommt halt erschwerend hinzu, dass sie über eine Vagina dentata (bezahnte Vagina) verfügt - ein Mythos, der nicht von ungefähr von Sigmund Freud im Zusammenhang mit seiner Theorie der Kastrationsangst aufgegriffen wurde - und diese beißt, wenn sie sich bedroht und/oder unwohl fühlt, recht fest zu.

"Und der Haifisch, der hat Zähne... und die trägt er (nicht!) im Gesicht..."

So stapeln sich nach und nach die, von einem Teil ihrer Männlichkeit befreiten, Liebhaber, wobei keine im Film gezeigte Verstümmelung unprovoziert passiert, also - wie sich die männerfressende Feministin in mir freut anzumerken - jedermann mehr oder weniger verdient, was er bekommt.

Der Film spielt vor der Kulisse einer idyllischen amerikanischen Kleinstadt - die Kinder leben in sexueller Abstinenz, gehen brav zur Schule, wo in den Biologiebüchern sicherheitshalber die Darstellung der Vulva mit goldenen Sternen überklebt wurde, und im Hintergrund rauchen die pittoresken Kühltürme der sauberen Energieform Atomkraft beschaulich vor sich hin. Eben diese Idylle wird sehr gekonnt und amüsant als scheinheilig dargestellt und nach und nach entlarvt, das passiert aber teilweise auf recht plakative, vereinfachende Art und Weise, was dem Film etwas an Sprengkraft nimmt. 

In der vereinfachenden Darstellung liegt überhaupt die große Schwäche des Films. Zwar ist klar, dass es sich hierbei um eine Satire handeln soll und dementsprechend sowohl die Charaktere als auch deren Handlungen überspitzt dargestellt werden, ein wenig mehr gendermäßige Ausgeglichenheit hätte dennoch nicht geschadet und ein, zwei männliche Sympathieträger wären schon drin gewesen, anstatt alle "Herren der Schöpfung" pauschal als potentielle Triebtäter abzuwatschen.

Fazit:
Teeth ist eine nicht gut gemeinte Abrechnung mit religiösem Fanatismus, kleinbürgerlicher Borniertheit und Scheinheiligkeit und in erster Linie mit dem männlichen Geschlecht(steil), dem in unserer Gesellschaft noch immer erschreckend oft die (sexuelle) Macht über den weiblichen Körper zugestanden wird. Das vorgezeigte Beispiel, den Spieß der sexuellen Gewalt in Richtung der Männer einfach umzudrehen, dürfte zwar wenig zur Lösung des Geschlechterkonflikts beitragen, bietet in seiner filmischen Ausformung allerdings für manche (schadenfrohe) Frauen und einige (masochistische) Männer recht hohe Schauwerte und kurzweilige Unterhaltung.

Das Potential, das der Film in sich trägt, dazu anzuregen, vielleicht mal ein wenig über die bestehenden Geschlechterverhältnisse nachzudenken, verflüchtigt sich allerdings größtenteils durch die satirische Überhöhung und die klischeebehafteten Charaktere. Als Parabel von weiblicher körperlicher Selbstbemächtigung und als Aufforderung an junge Frauen, selbstbewusst mit ihrem Körper und mit ihrer Sexualität umzugehen, kann man Teeth aber durchaus so stehen lassen.

Ist wie: Der konsequent-skrupellose Feminismus aus The Woman (2011) wird mit dem Coming-of-Age-Motiv aus Excision (2012) in Jennifers Body (2009) vereinigt. Der Männerverschleiß ist entsprechend hoch, die Drop-out-Rate der maskulinen "Verschleißteile" ebenso.

Wertung: 6,5 von 10 gegen Pussy Riot Sturmhauben eingetauschte Keuschheitsringe.

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