Noch ist der Sommer zwar in vollem Gange, die herbstlichen Freuden der herannahenden Horrorfestival-Saison sind aber bereits erahnbar, was mich dazu veranlasst, nun endlich meinen längst überfälligen Nachbericht zum Festivalherbst 2014 abzuliefern.
Ich hatte im letzten Jahr ja das Glück, sowohl für eine kurze Stippvisite erneut das /slash im heimatlichen Wien heimzusuchen, als auch erstmals, und gleichzeitig etwas intensiver, beim Fantasy Filmfest in Köln zugegen sein zu können. Einen kurzen Überblick über eines der weltweiten größten Festivals für den Genrefilm und dessen Programm bietet mein Ausblick für das Jahr 2014 hier:
Vorschau FFF
Im direkten Vergleich zwischen FFF und /slash muss ich sagen, dass für mich das kleinere /slash die Nase vorne hat. Was für das FFF spricht, ist sicherlich sein über über die Jahrzehnte seines Bestehens erkämpfter Status und sein breit aufgestelltes Programm, womit das kleinere /slash allerdings punktet, ist sein Charme, der sich aus einer sorgfältigen, liebevollen Filmauswahl aufbaut, unterstrichen durch die heimelige Atmosphäre der Spielstätte Filmcasino.
Wo das FFF möglichst breit viele Bereiche abdeckt und es damit den Besuchern auch, trotz Schwerpunktsetzungen und Spotlights, mitunter etwas schwer macht, sich aus der Fülle des Angebots die dem eigenen Gusto entsprechenden Leckerbissen herauszupicken, zwingt die etwas beschränktere, und gleichzeitig immer auch auf die Randgebiete der in der breiten Wahrnehmung rezipierten Filmbereiche schielende, Selektion des /slash, das Publikum mitunter regelrecht dazu, sich mit Filmkost auseinanderzusetzen, die sonst möglicherweise nicht auf der eigenen Menükarte stehen würde, was durchaus überraschende lukullische Genüsse nach sich ziehen kann.
Zudem ermöglicht der Veranstaltungsort des FFF zwar einen größeren Besucherzustrom, gleichzeitig geht durch die Einbettung des Festivals ins große Multiplex (zumindest in Köln ist das der Fall), wo das Festivalprogramm nur eine von vielen Möglichkeiten ist, filmisch den Abend zu verbringen, auch ein Stück Exklusivität und "Festivalspirit" verloren, den eine solche Veranstaltung erhält, wenn eine Spielstätte mit nur einem Kinosaal für eine bestimmte Zeit okkupiert und zum Ort der Magie und des Schreckens umgewidmet wird, wie das in Wien der Fall ist.
Mein Fazit lautet dementsprechend:
FFF, es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!
/slash, I'll be back!
So, und jetzt ohne weitere große Umschweife zu den bei den beiden Festivals gesichteten Filmen und meiner Bewertung derselben.
The Rover (2014)
Obwohl mein Hang zu dystopischen Weltuntergangsszenarien
sowie düsteren philosophischen Parabeln über die grausame Natur des Menschen durchaus
nicht unausgeprägt ist, hier Story, Setting und Erzählart sehr stimmig
korrelieren und den schauspielerischen Leistungen von Guy Pearce und Robert
Pattinson unbestreitbar Respekt zu zollen ist, hat mich das Roadmovie in der grenzenlosen
Wüste der Menschlichkeit leider eher kalt gelassen und ich habe mich
zwischendurch immer wieder dabei ertappt, den Protagonisten zuflüstern zu
wollen: "Burschen, die Sonne scheint, das Leben ist kurz, macht's was
draus!" Obwohl der Streifen das Prädikat "sogar mir zu zynisch"
mit Stolz tragen darf, hat er mich leider einfach nicht berührt, daher:
6 von 10 "wenn schon australische Outback-Dystopie,
dann lieber Mad Max: Fury Road"-Punkte
Irgendwo zwischen Mullholland Drive und
Black Swan anzusiedelnder Body-Horror mit psychedelischen Sequenzen und schon
fast obligatorischem 80er Synthie-Sound, der einen alptraumhaft-verstörenden
Blick auf die Traumfabrik Hollywood wirft, die in ihren Mühlen wohl schon so
manche junge, hoffnungsvolle Existenz zermalmt hat – nicht unbedingt visionär
in Setting und Botschaft, aber stimmig, konsequent und unerbittlich brutal.
8 von 10, das Evil Dead-Remake vor Neid erblassen lassende, Nitsch'sche
Blutkübeln
Mittlerweile wurde ja schon einiges Gute
über diesen kleinen, fiesen Auswuchs des jungen Genrekinos gesagt und
geschrieben, bei der Sichtung beim FFF hat mich der Film mit seiner
schleichenden Wucht aber ziemlich unvorbereitet getroffen und, metaphorisch,
vom Kinosessel gehauen – Leuten mit paranoiden Wahnvorstellungen vielleicht nur
bedingt zu empfehlen, allen anderen aber wärmstens ans Herz zu legen. Meine
ausführliche Kritik gibt es hier nachzulesen:
9 von 10 blutarme aber umso schreckensreichere
Zwangsdynamik-Punkte
Ziemlich konfuse, katholisch
durchtränkte Schuld-und-Sühne-Gewaltoper, die zwar auch ihre Momente hat, im
Großen und Ganzen aber einen eher faden Nachgeschmack zurücklässt und auf jeden
Fall besser in der B-Abteilung des Heimkinos als auf der großen Leinwand
aufgehoben ist – kann man schon schauen, muss man aber nicht gesehen haben.
4 von 10 Fliegen, die der Teufel notfalls frisst, steckt er
nicht gerade im Detail fest
Wieder mal so ein Film, den ich
eigentlich gut finden wollte, aus mehreren Gründen aber nicht konnte,
einerseits weil das kindlich-nostalgische Grundgerüst, das Erinnerungen an
Perlen wie Stand by Me evozieren sollte (und ansatzweise auch konnte), sehr schnell
durch Fehlentscheidungen seitens der Regisseure demontiert wurde, andererseits weil
gewisse Dinge, wie Inkonsequenzen in der Gewaltdarstellung oder ausgelutschte
Topoi, das Gesamtbild stören, und nicht zuletzt weil Motive, die längst in die
Mottenkiste gehören (offenkundige Sexismen) einer/einem eher die Hände vor
Schrecken vor die Augen halten lassen als die vergleichsweise enttäuschenden
Gore-Elemente.
4 von 10 von Grillen durchzirpte laue Sommernächte in der
Adoleszenz – bevor das Grauen losgeht
Eine hinreißende Horrorkomödie
über eine WG von Vampiren verschiedener Zeitalter, die nicht nur miteinander,
sondern auch mit den Anforderungen der modernen Welt und diversen anderen
Problemen zu kämpfen haben – wahnsinnig lustig, entzückend und liebevoll mit
den Konventionen eines Genremythos spielend, der eine der ältesten
Gruselgestalten des Films immer wieder neu erfinden möchte.
8 von 10 spitzzahnige, tageslichtscheue, leicht modrige und
dandyeske Halsschlagaderanritzungen
An die Geschichte um eine wortwörtlich
ans (Geister-)Haus gefesselte, rebellisch-kriminelle junge Frau mit spitzer
Zunge und ohne Manieren hatte ich hohe Erwartungshaltungen, dass diese dann
leider doch nicht ganz erfüllt wurden, lag vor allem an einer, in meinen Augen,
etwas enttäuschenden Auflösung, was allerdings das solide Grundkonzept und die
erfrischend-amüsante Umsetzung keineswegs schmälert.
7 von 10 blinkende Fußfesseln im Spukhaus mit knarrenden
Dielen und doppelten Böden
Für mich eindeutig der beste Genrefilm
der jüngeren Vergangenheit – ein kleines Meisterwerk, das den Begriff
"Horror" und seine landläufigen Implikationen in meinen Augen transzendiert
und mit seiner atmosphärischen Dichte, seiner Klugheit, Behutsamkeit und seinem
Gespür für Charaktere, Stimmungen und den unwirklichen Schrecken einer sehr
realen Bedrohung zeigt, dass der zeitgenössische Horrorfilm nicht nur Tand und
Spielerei ist, sondern ernst genommen werden darf und soll. Meine ausführliche
Kritik dazu gibt es hier:
10 von 10 bescheidene Superlativen, deren sublime Nachbeben
noch lange spürbar bleiben