Sonntag, 24. Januar 2016

/slash 2015

Bevor die galoppierende Demenz zuschlägt und mich, mangels eigener Memorierung, dazu zwingt, auf Second Hand-Kritiken und IMDB-Kurzinfos zurückzugreifen (noch mehr, als ich’s sowieso schon immer tu), schnell schnell das /slash 2015 Revue passieren lassen!
 

Vorzüglicher Vorhang des Gartenbaukinos bei der /slash 2015-Eröffnung (und huscht da gar Donald Trump vorbei?!)

Aufgrund der Verlockung eines (verhältnismäßig) preisgünstigen 10er-Blocks, kombiniert mit dem Mangel an verfügbarem/willigem Begleitpersonal, habe ich mich letzten Herbst wieder zur Sichtung einer ganzen Reihe an leinwanderhellenden (manche würden eher zum Adjektiv „seelenverdunkelnden“ greifen) Stücken zeitgenössischen Filmschaffens im Horrorbereich hinreißen lassen. Dass mich dabei nicht alles auch (metaphorisch oder wörtlich) vom Sessel gerissen hat – trotz der dem Gluteus Maximus dauerhaft wirklich nicht schmeichelnden Sitzgelegenheitsbepolsterung des Filmcasinos habe ich wacker ausgeharrt! –, ist dabei ebenso Part of the Game wie die eine oder andere positive Überraschung. Das Ganze jetzt in Klarschrift? Bitte schön:

The Invitation (2015)
Mit dem Eröffnungsfilm wurde die Messlatte für das restliche Festival gleich mal recht hoch gelegt. Regisseurin Karyn Kusama hat sich offenbar Hitchcocks „There is no terror in the bang, only in the anticipation of it“ sehr zu Herzen genommen. Sehr viel mehr sei aus Spannungsgründen gar nicht verraten, nur für die eher ungeduldigen Blutgierigen das Folgende: sitzen bleiben zahlt sich aus. Liebhaber_innen von sich langsam hochzwirbelnden Spannungsspiralen und Psychokammerspielen werden sich hier ohnehin von Anfang bis Ende an den Sessellehnen festkrallen.
8 von 10 abgerupfte Blütenblätter im schicken, gepflegten Vorstadtgarten: er ist nur paranoid, er hat Recht, er ist nur paranoid, er hat Recht, …

Wer Illustrationen für die Lebensrealität junger Frauen zwischen Essstörung und verzerrten Körperbildern sucht, schlage das nächstbeste Modemagazin auf. Mit derartigen Oberflächlichkeiten hält sich dieses, sich im gleichen Themenkreis bewegende, Psychogramm nämlich nicht auf und geht stattdessen ganz tief unter die Haut. Was kommt raus, wenn Body Horror mit Food Porn kombiniert wird? Richtig, eine ziemliche Sauerei und davon gibt’s hier reichlich. Obwohl bei dem Film im Vorfeld vor allem die Grauslichkeit hervorgehoben wurde, muss ich (als anerkannte Saumageninhaberin) sagen, dass ich eher Probleme hatte, mich auf die schrille Erzählart einzulassen, die mir einiges an Eingewöhnung abverlangt hat. Alles in allem ein recht schwer zugänglicher, sperriger aber keineswegs uninteressanter Film. Für den gemütlichen Filmabend mit Fressgelage auf der Couch allerdings nur bedingt empfehlenswert.
6 von 10 „ich werde Instant-Nudeln nie wieder mit den gleichen Augen sehen“-Punkte

Der Film, der mich beim letzten /slash am positivsten überrascht (obwohl ich nicht weiß, ob diese Ausdrucksweise in dem Fall angebracht ist), auf jeden Fall nachhaltig beeindruckt hat. Die im zeitgenössischen Mexiko angesiedelte Geschichte von der Truppe feierlustiger Frauen, die einen Mann entführen und foltern, ist vor allem kinematografisch weit davon weg, perfekt zu sein – angefangen bei den Dialogen, die mangels Nachsynchronisierung teilweise untertitelt und andernorts etwas holprig improvisiert wurden. Der niedrige Production Value gibt der Handlung aber auch ein Stück weit Authentizität und diese lässt wiederum den Film seine banale Brutalität so beiläufig entfalten, dass, bevor man/frau sich versieht, die, auch durch die langen Einstellungen und die statisch-voyeuristische Kamera begünstigte, komplizenhafte Einbindung des Publikums längst vollzogen wurde. Ein den eigenen moralischen Kompass ganz schön zum Rotieren bringendes Stück Kino in jedem Fall, das mir gerade deshalb gefallen hat, weil ich mir darin am Ende so gar nicht gefallen habe. Und so eine Verrückung der eigenen Perspektive kann ab und zu schon recht fruchtbar und sinnvoll sein.
7 von 10 „ein wenig mehr Geld, dann wär’s schon fast Haneke“-Punkte

Q&A mit Darstellerin Flor Edwarda Gurrola nach I Stay With You


Tja, wieder mal einer von den Filmen, die ich eigentlich gut finden hätte sollen/wollen. Abgelegener Landsitz, umgeben von schaurigem Gehölz, garniert mit allerlei Gruselgestalten aus dem Sagenschatz/Märchenbuch. Ich bin voll dabei! Dachte ich zuerst. Die Ernüchterung folgte dann natürlich auf dem Klumpfuß: zu viel mittelmäßiges CGI für meinen Geschmack und einige zwar ganz nette von Hand animierte Figuren, die aber im grundsätzlich viel zu dunkel gehaltenen Film nie richtig zur Geltung kamen. Dazu noch Figuren, die wenig zur Empathie einluden und eine alles andere als Innovation und Frische versprühende Story („Daddy im aufopferungsvollen Einsatz für die Familie, während Mommy hauptsächlich kreischt“ ist ein wenig zu letztes Jahrtausend für meine Begriffe). Wieder mal ein gutes Beispiel dafür, dass es von der hoffnungsvollen Prämisse zur überzeugenden Umsetzung halt doch ein weiter Weg ist – in diesem Fall mit viel Wurzelwerk und Stolpersteinen.
5 von 10 bittersüß angestimmte „ich hab dich lieb im Prinzip …“-Schlussmachballaden

Hiervon kann ich nur Gutes berichten. Hätte ich sagen können, wenn ich ca. nach der ersten halben Stunde fluchtartig das Kino verlassen hätte müssen (weil ich beispielsweise vergessen hatte, den Backofen auszuschalten – alles so, oder zumindest so ähnlich, schon passiert). Die Geschichte mit der Babysitterin des Vertrauens, die sich – richtig geraten! – nach und nach in die Babysitterin des Grauens verwandelt, hebt nämlich echt nicht schlecht an. Als Home Invasion Variante vom Grundgerüst her solide aufgebaut, Verunsicherung und Spannung langsam steigernd und durchwegs solide von der Darsteller_innenriege verkörpert (allen voran jener der titelspendenden Protagonistin), ist der Film in der ersten Hälfte auch stimmungsvoll inszeniert, wird dann aber zunehmend unlogisch und gipfelt schlussendlich in einem derart haarsträubenden Finale, dass sich einer schon fast die Frage stellt, ob das jetzt noch der gleiche Film wie am Anfang ist, oder ob nicht irgendwo mittig falsch zusammengepickt wurde (geht gar nicht weil digital, ätsch). Schad drum.
4 von 10 Leider (doch) nicht gewonnen-Los-Nieten

Eines vorweg: ich bin von Haus aus kein Fan von Eli Roth, das gebe ich zu. Dementsprechend ist meine Euphorie gegenüber dem /slash Überraschungsfilm auch in dem Moment in den Keller gerasselt, als ich erfahren habe, welchen und wessen Film ich nun auf die Sinnesorgane geklatscht kriegen würde. Meine Erwartungshaltung auf das Niveau meiner Vorfreude runtergedrosselt, hab ich trotzdem versucht, halbwegs unvoreingenommen an die Sache ranzugehen. Die als Dekonstruktion biedermeierlicher Gutbürgerkultur getarnte, in Wirklichkeit nicht mal halblustige und schon gar nicht spannende, Publikumsverarschung rund um den sündenfälligen Familienvater und seine Foltermägde hat mich dennoch enttäuscht – nein, weniger enttäuscht als verärgert. Ich weiß nicht genau, wen diese Satire jetzt genau beißen soll – die Reichen/Schönen/Gelangweilten, die in Scheinmoral lebenden Fremdgänger? – ich weiß nur, dass sie mir persönlich total am Allerheiligsten (d.h. am Gehirn, of course!) vorbeigegangen ist und die einzige Emotion, die ich bei der Sichtung empfunden habe, war der Schmerz beim Anblick von Keanu Reeves, wie er sich versteinert (in Fassungslosigkeit? Resignation? Apathie?) durch das Drehbuch windet und ganz bestimmt die schlechteste darstellerische Leistung seiner, in den letzten Jahren ohnehin nicht gerade ruhmreichen, Karriere liefert. Auch schon wurscht eigentlich, wenn man sich den Rest anschaut. Was mich fast noch ratloser zurücklässt, als der Film selbst, sind die vereinzelt wirklich guten Kritiken, die selbiger (bei uns ja mittlerweile schon regulär im Kino gestartet) erhalten hat. Da komm ich dann schon mal kurz ins Grübeln und frag mich für einen Moment, ob ich den Film und seine in Wirklichkeit eh voll intelligente Botschaft nur einfach nicht verstanden hab … Der Moment ist schnell vorbei, weil selbstverständlich ist meine Meinung die alleingültige, unanfechtbar richtige!
2 von 10 ausschließlich der Leistung der barbusigen Hauptdarstellerinnen gewidmete (und damit möglicherweise ein wenig auch meiner Libido geschuldete) Pünktchen – call me horny, if you want!

So, und weil beim letzten Film ein wenig die Rösser mit mir durchgegangen sind, und auch wenn’s unfair ist, dass die schlimmen Kinder immer die meiste Aufmerksamkeit kriegen, jetzt hier mein Urteil kurz und knapp: anschauen! Selbst wenn Baskin im letzten Drittel etwas nachlässt, die atmosphärische Dichte, die er gleich von Anfang an entwickelt, das ständige Angstgefühl und nicht zuletzt die phantasmagorischen Schrecken, die hier auf eine/n einprasseln, sind den Abstieg in Can Evrenols kranke Phantasie allemal wert. Schon länger keinen Horrorfilm mehr gesehen, der mich so unmittelbar ins Geschehen reingezogen und fast bist zuletzt gefangen gehalten hat.
8 von 10 türkische Kaffees – tiefschwarz, mit treibsandartigem Bodensatz und garantiert Herzrasen verursachend

Schon wieder Zeit für einen Disclaimer: Ich mag keine Horror-Spoofs. Wobei die Generalisierung zu weit geht, weil grundsätzlich mag ich Parodien und alle Arten satirisch-ironischer Topoi-Aufarbeitung schon gerne, solange sie sich nicht selbst zu ernst nehmen und postmoderne Pseudo-Überlegenheit demonstrieren möchten. Darum konnte ich nie etwas mit Scream anfangen, mag dafür aber manche Scary Movie-Teile ganz gerne (sofern Anna Faris dabei ist) – okay, vielleicht ist mein Geschmack ja doch nicht immer so unfehlbar. Anyway. Ich hab halt manchmal ein Problem damit, mit der Nase auf etwas gestoßen zu werden, was mir, als meistens genau Hinschauende, auch selbst schon aufgefallen ist und kann mich dann nur mäßig darüber amüsieren, wenn eben das durch den Kakao gezogen bzw. nostalgisch persifliert wird. Das gesagt, ist The Final Girls sicher kein schlechter Film – so uramerikanisch in seiner Machart und Absicht wie das Subgenre, dessen er sich annimmt, und auf jeden Fall popcornverträgliche Unterhaltung, die trotzdem den Verstand nicht beleidigt. Aber ich persönlich hab ihn einfach weder recht witzig noch sonderlich geistreich gefunden. Mea culpa und very sorry!
6 von 10 Hockeymasken-Macheten-Axt-Kettensägen-Fleischermesser-und was das Slasherherz halt sonst noch so begehrt-Punkte


Noch so ein Kandidat für die Kategorie „gutes Grundkonzept, katastrophale Umsetzung“ und der Film, der mich gezwungen hat, meine Meinung, dass die Australier grundsätzlich den besten Tier-Horror machen (kein Wunder bei der Dichte an giftigem/gefährlichem Vieh Down Under), wieder etwas zu relativieren. Besonders ärgerlich hier: durch die den halben Film andauernden, lautstark geäußerten Diffamierungen des Trüppchens direkt hinter mir, wurde regelrecht mein Beschützerinstinkt erweckt und ich habe mich zwischendurch immer wieder dabei ertappt, wie ich The Pack insgeheim verteidigen wollte. „So mies ist er auch nicht – okay, das Verhalten der Hunde und der Menschen ist total unlogisch, die Dialoge sind blöd, die Handlung ist hanebüchen, aber ähm … die Landschaft ist ja ganz schön!“ Auch das kann Kino.
3 von 10 Tollwutköder-Wurmkuren (inklusive eines halben Extrapunktes für Lassies Rückkehr – der feige Hund!)

Wie es halt oft so ist bei Anthologien aller Art, die Qualität der einzelnen Beiträge variiert auch hier. Der gemeinsame Nenner, das Lieblingsfest schauerlustiger Amerikaner_innen, ist der rote Faden, der sich durch’s bunt-blutige Geschehen zieht. Insgesamt fehlt den, von als eher beliebig bis recht ansprechend zu bezeichnenden, Episoden aber ein wenig der Zusammenhalt und sowohl was die Grundstimmung als auch die ikonografischen Qualitäten der vorkommenden Figuren angeht, ist Michael Doughertys Trick ‘r Treat eindeutig besser. Trotzdem eine gute Möglichkeit, sich in Festtagsstimmung zu versetzen und sich seelisch auf die verschiedensten Spielarten von „Süßes, sonst gibt’s Saures!“ vorzubereiten.
6 von 10 Süßigkeiten-Fressorgien – teilen nicht vergessen!


So, das war er nun, mein /slash 2015-Marathon. Besonders stolz bin ich darauf, dass ich die bisher größte bei mir gemessene Dichte an Gedankenstrichen und Ausrufezeichen erreicht und noch dazu ein neues Wort etabliert habe („Memorierung“, ist dir gar net aufgfoin, goi?) – alles andere ist sowieso nur Tand und Eitelkeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen