Hexen, Huren, Heilige, Fruchtbarkeits- und Todesgöttinnen.
Neben ihrem, seit Jahrtausenden hohen, Stellenwert in der menschlichen
Kulturgeschichte, was das Bild von Frauen und die jeweils gängige Auffassung
von Weiblichkeit angeht, haben diese Motive eines gemeinsam: Sie sind alle eng
mit Körperlichkeit verknüpft.
Der weibliche Körper scheint, über alle Kulturen und Zeiten hinweg,
beständig eine Mischung aus Faszination, Abscheu, Begehren, Furcht und
Verehrung hervorzurufen, die auch immer wieder gerne von (androzentrischen)
Wissenschafts-, Religions- und Geistesströmungen aufgegriffen und in, mehr oder
weniger verdeckt misogyne, Erkenntnis-, Glaubens- und Heilsbotschaften
gekleidet wurde.
Ein prominentes Beispiel für die Fleischwerdung von, mit der
weiblichen Körperlichkeit verbundenen, Vorstellungen und Ängsten, liefert das
Standardwerk des Christentums, die Bibel, in mannigfaltigen Ausführungen. Oder
glaubt hier jemand ernsthaft, dass bei der "verbotenen Frucht", zu
deren Degustation Eva Adam bekanntlicherweise verführt, tatsächlich von einem
Stück Obst die Rede sein soll?!
Hier wird auch die Sprengkraft ersichtlich, die von den eng mit
Körperlichkeit verknüpften - bis heute teilweise auf diese reduzierten - Frauen
ausgeht, nämlich die Sexualität.
Gerade in einer Weltordnung, in der Begehren und Lust mit
Sünde gleichgesetzt und stark tabuisiert wurden, entledigten sich die
männlichen Delinquenten ihrer sexueller Sündenlast nur zu gerne, indem sie sie
den Frauen aufluden und deren Körper zum Sinnbild für Verführung, Wolllust und
Verdorbenheit machten. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die, bis heute
noch stark von diesen religiösen Lehren und Ansichten geprägte, westliche
Kulturgeschichte. Gerade die Heilige-Hure-Dichotomie, am prominentesten durch
Maria (Magdalena) dargestellt, ist ein beliebtes Motiv im Katholizismus, um
weibliche Körperlichkeit und (A)Sexualität zu stilisieren.
Jetzt stellt sich vermutlich bei dir, liebe/r Leser_in, berechtigterweise
die Frage: Was soll das alles und was hat das mit Horrorfilmen zu tun?
Ich muss zugeben, ich habe etwas weit ausgeholt für den
folgenden Schlag unter die (männliche) Gürtellinie. Da dieser beim zu
besprechenden Film Teeth jedoch sehr
hart ausfällt, erschien es mir sinnvoll, den kulturgeschichtlichen Hintergrund
zuvor kurz zu beleuchten - vielleicht, um die von den männlichen Protagonisten
im Film zu erduldenden Qualen ein ganz klein wenig zu mildern und in Relation
zu stellen zu tausenden von Jahren an männlicher Macht über den weiblichen
Körper.
Also, liebe Männer, anschnallen und festhalten. Es wird auch
nicht sehr weh tun, versprochen!
Zum Inhalt:
Teeth beginnt
relativ harmlos, wenn auch - zumindest für europäische Augen - etwas
befremdlich, mit der Zusammenkunft einer Gruppe von christlichen Jugendlichen,
die sich vorgenommen haben, unter allen Umständen mit dem Sex bis zur Ehe zu
warten, sprich: am Anfang steht eine Keuschheitsbewegung.
Dawn, Teenagerin und Protagonistin des Films, ist engagierte
Sprecherin dieser Gruppierung und hängt felsenfest an ihrer Überzeugung, sich
erst von dem Richtigen in ihrer Hochzeitsnacht deflorieren (blöder Ausdruck,
klingt aber immer noch besser als "entjungfern") zu lassen. Ein
möglicher Kandidat bietet sich schnell an, nach anfänglich keuschem
Händchenhalten und scheuen Küssen, will dieser aber sehr schnell sehr viel mehr
und schreckt auch nicht davor zurück, gewaltsam einzufordern, was ihm nicht
zusteht. Hier wird die ganze Sache blutig, denn Dawns Vagina setzt einen
bislang ungeahnten Abwehrmechanismus ein, der zunächst bei ihr selbst, und in
weiterer Folge vor allem bei ihren, hormonell regelrecht überkochenden,
männlichen Artgenossen Angst und Schrecken erzeugt.
Dawn muss im Grunde jetzt da durch, wo alle Menschen auf dem
Weg zum Erwachsenwerden durchmüssen: Durch die Hölle der Pubertät. Das reicht
von der Entdeckung und Erkundung der eigenen Körperlichkeit und Geschlechtlichkeit
bis zur Erforschung fremder Körper und Lüste und schließt sowohl die
anfängliche Abneigung gegen die, nicht selten als monströs empfundenen, körperlichen
Veränderungen ein, als auch die, idealerweise am Ende stehende, Erkenntnis,
dass es eh okay ist, wie man/frau eben ist. Bei der Hauptdarstellerin in Teeth kommt halt erschwerend hinzu, dass
sie über eine Vagina dentata (bezahnte
Vagina) verfügt - ein Mythos, der nicht von ungefähr von Sigmund Freud im
Zusammenhang mit seiner Theorie der Kastrationsangst aufgegriffen wurde - und
diese beißt, wenn sie sich bedroht und/oder unwohl fühlt, recht fest
zu.
"Und der
Haifisch, der hat Zähne... und die trägt er (nicht!) im Gesicht..."
So stapeln sich nach und nach die, von einem Teil ihrer
Männlichkeit befreiten, Liebhaber, wobei keine im Film gezeigte Verstümmelung
unprovoziert passiert, also - wie sich die männerfressende Feministin in mir
freut anzumerken - jedermann mehr oder weniger verdient, was er bekommt.
Der Film spielt vor der Kulisse einer idyllischen
amerikanischen Kleinstadt - die Kinder leben in sexueller Abstinenz, gehen brav
zur Schule, wo in den Biologiebüchern sicherheitshalber die Darstellung der Vulva
mit goldenen Sternen überklebt wurde, und im Hintergrund rauchen die
pittoresken Kühltürme der sauberen Energieform Atomkraft beschaulich vor sich
hin. Eben diese Idylle wird sehr gekonnt und amüsant als scheinheilig
dargestellt und nach und nach entlarvt, das passiert aber teilweise auf recht
plakative, vereinfachende Art und Weise, was dem Film etwas an Sprengkraft
nimmt.
In der vereinfachenden Darstellung liegt überhaupt die große
Schwäche des Films. Zwar ist klar, dass es sich hierbei um eine Satire handeln
soll und dementsprechend sowohl die Charaktere als auch deren Handlungen
überspitzt dargestellt werden, ein wenig mehr gendermäßige Ausgeglichenheit
hätte dennoch nicht geschadet und ein, zwei männliche Sympathieträger wären
schon drin gewesen, anstatt alle "Herren der Schöpfung" pauschal als potentielle
Triebtäter abzuwatschen.
Fazit:
Teeth ist
eine nicht gut gemeinte Abrechnung mit religiösem Fanatismus, kleinbürgerlicher
Borniertheit und Scheinheiligkeit und in erster Linie mit dem männlichen
Geschlecht(steil), dem in unserer Gesellschaft noch immer erschreckend oft die (sexuelle)
Macht über den weiblichen Körper zugestanden wird. Das vorgezeigte Beispiel,
den Spieß der sexuellen Gewalt in Richtung der Männer einfach umzudrehen,
dürfte zwar wenig zur Lösung des Geschlechterkonflikts beitragen, bietet in
seiner filmischen Ausformung allerdings für manche (schadenfrohe) Frauen und
einige (masochistische) Männer recht hohe Schauwerte und kurzweilige
Unterhaltung.
Das Potential, das der Film in sich trägt, dazu anzuregen,
vielleicht mal ein wenig über die bestehenden Geschlechterverhältnisse
nachzudenken, verflüchtigt sich allerdings größtenteils durch die satirische
Überhöhung und die klischeebehafteten Charaktere. Als Parabel von weiblicher
körperlicher Selbstbemächtigung und als Aufforderung an junge Frauen,
selbstbewusst mit ihrem Körper und mit ihrer Sexualität umzugehen, kann man Teeth aber durchaus so stehen lassen.
Ist wie: Der konsequent-skrupellose Feminismus aus The Woman (2011) wird mit dem
Coming-of-Age-Motiv aus Excision (2012)
in Jennifers Body (2009) vereinigt. Der
Männerverschleiß ist entsprechend hoch, die Drop-out-Rate der maskulinen "Verschleißteile"
ebenso.
Wertung: 6,5 von 10 gegen Pussy Riot Sturmhauben eingetauschte Keuschheitsringe.